Wohnungsknappheit bekämpfen:
Zürich stimmt im November über das Vorkaufsrecht ab

News – 15 October 2025
Wer in Zürich eine Wohnung sucht, braucht neben Geduld und einem guten Bewerbungsdossier eine gehörige Portion Glück. Die Wohnungsknappheit ist zum Politikum geworden und die Frage nach den geeigneten Instrumenten, um sie zu lindern, wird hitzig diskutiert. Am 30. November 2025 kommt nun die kantonale Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich», auch Vorkaufsrecht-Initiative genannt, an die Urne. Ihr Kern: Wenn ein Eigentümer, etwa eine Privatperson oder ein Unternehmen, einer anderen Privatpartei ein Grundstück verkaufen möchte, erhalten die Gemeinden das Recht, dieses zum ausgehandelten Verkaufspreis anstelle des ursprünglichen Käufers zu erwerben. Die öffentliche Hand soll diese Möglichkeit nutzen können, um bezahlbaren Wohnraum langfristig zu sichern.
Zwischen Wohnraumförderung und Marktintervention
Auf Bundesebene hatte die Einführung eines solchen Vorkaufsrechts bisher kaum Chancen. Daher versuchen nun unterschiedliche Parteien und Verbände, dieses mit Volksinitiativen auf Kantons- und Städteebene zu verankern. Der IAZI Polit-Monitor beobachtet derzeit drei Volksinitiativen in den Kantonen Zürich und Zug sowie in der Stadt Luzern, welche die Einführung des Vorkaufsrechtes fordern. Hinzu kommen zwei weitere Volksinitiativen in den Kantonen Genf und Waadt, die das bereits bestehende Vorkaufsrecht ausweiten wollen. Dies wohl auch deshalb, weil das Vorkaufsrecht in den beiden Westschweizer Kantonen bisher nur zurückhaltend zur Anwendung kam. Gemäss Angaben der Kantonsregierungen kam es in einem Zeitraum von fünf Jahren im Kanton Waadt rund 18-mal zum Zug, in Genf rund 12-mal. Der Einsatz hängt natürlich auch davon ab, ob entsprechende öffentliche Mittel für Zukäufe zur Verfügung stehen.
Politisch ist das Vorkaufsrecht ein umstrittenes Instrument. Die Befürworter in Zürich argumentieren, dass es ein wirksames Werkzeug sein kann, um dem akuten Druck auf den Mietwohnungsmarkt zu begegnen. Ein Vorkaufsrecht gibt den Gemeinden ein fakultatives Instrument in der Boden- und Wohnungspolitik, um den gemeinnützigen Wohnraum zu fördern. Da die Gemeinden die lokalen Bedürfnisse am besten kennen, stellt das Vorkaufsrecht ein flexibles Instrument dar, das bei Bedarf eingesetzt werden kann. Verkäufer hätten dabei keine finanziellen Einbussen zu befürchten, da stets der ausgehandelte Marktpreis bezahlt wird. Zudem wird das Vorkaufsrecht international in Ländern wie Deutschland, Österreich oder Frankreich seit Jahren praktiziert und gilt dort als etabliertes Element der Wohnungspolitik.
Kritiker weisen darauf hin, dass das Vorkaufsrecht einen Eingriff in die Eigentumsgarantie und die Wirtschaftsfreiheit darstellt. In der Praxis bedeutet ein Vorkaufsrecht, dass mit den Städten und Gemeinden als teils sehr zahlungswillige Käufer bereits starke Konkurrenten im Liegenschaftsmarkt noch mehr Mittel erhalten. Es könnte in der Praxis zu Verzögerungen und Rechtsunsicherheiten bei Grundstücksgeschäften kommen. Verkäufer hätten zwar keine finanziellen Einbussen zu befürchten, jedoch könnten jene Käufer, die leer ausgehen, möglicherweise auf Kosten für Vorbereitung und Abklärungen sitzen bleiben. Zwar sollen Aufwendungskosten entschädigt werden, doch zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass diese oft nicht den vollen Aufwand decken. Darüber hinaus schafft die Ausübung des Vorkaufsrechts allein noch keine neuen Wohnungen – hierfür wären zusätzlicher Bau oder Subventionen erforderlich.
Internationale Erfahrungen, etwa aus Berlin1 oder Paris2, legen nahe, dass ein Vorkaufsrecht punktuell durchaus für den Erhalt von günstigem Wohnraum sorgen kann. Strukturell ist es aber nur im Zusammenspiel mit anderen Massnahmen in der Lage, einer Wohnungsknappheit erfolgreich entgegenzuwirken. Manche Studien gehen davon aus, dass eine Reihe von zusätzlichen Massnahmen – etwa eine gezielte Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus3, steuerliche Anreize oder beschleunigte Baubewilligungsverfahren4 – ebenfalls benötigt werden, um langfristig für Entspannung am Markt zu sorgen.
Mietrechts-Welle rollt weiter
Das Vorkaufsrecht reiht sich in eine Reihe von politischen Vorstössen ein, mit denen versucht wird, die Wohnungsknappheit in den Griff zu bekommen. Die Debatte im Kanton Zürich zeigt bereits jetzt, dass die Initiative weit über diesen hinaus Beachtung findet. Sollte sie angenommen werden, könnten andere Kantone nachziehen. Am 30. November 2025 wird sich zeigen, ob Zürich das Vorkaufsrecht einführt und damit neue Weichen in der Wohnungspolitik stellt. Sicher ist schon heute: Das Thema wird die Branche noch lange begleiten. Gerade für Investoren ist es entscheidend, solche Entwicklungen systematisch zu verfolgen. Mit dem Polit-Monitor bietet IAZI seinen Kunden die Möglichkeit, solche politischen Entwicklungen frühzeitig zu verfolgen und die Implikationen für Immobilieninvestitionen fundiert einzuschätzen. Gerade in Zeiten von wachsendem Regulierungsdruck ist ein wachsames Auge auf die Politik fast ebenso wichtig wie der Blick auf die Marktdaten.

1 Grout-Brown, F. (2021). Supplying social housing and preserving inexpensive rental units: a comparative case study of the municipal right of first refusal in Montreal and Berlin (Doctoral dissertation, Toronto Metropolitan University).
2 Nahrath, S. (2018). A Swiss perspective on pre-emption rights: impact without application: Disputes over pre-emptions and the ‘land scarcity’. In Instruments of Land Policy (pp. 213-217). Routledge.
3 Lawson, J. (2009). The transformation of social housing provision in Switzerland mediated by federalism, direct democracy and the urban/rural divide. European Journal of Housing Policy, 9(1), 45-67.
4 Debrunner, G., & Hartmann, T. (2020). Strategic use of land policy instruments for affordable housing–Coping with social challenges under scarce land conditions in Swiss cities. Land use policy, 99, 104993.

Autor

Steven Hill

Associate Consultant

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