Die Studie
Das schweizerische Mietrecht legt unter anderem fest, unter welchen Bedingungen der Mietzins in bestehenden Mietverhältnissen erhöht werden darf. Die Höhe der zulässigen Anpassungen basiert auf standardisierten Quoten, die im Wesentlichen aus einem Mietzinsmodell des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO) aus den 1980er-Jahren abgeleitet sind. Dieses Modell wurde seither nicht überarbeitet und beruht auf zwei zentralen Annahmen zur Kostenstruktur der Eigentümerschaften:
- Annahme 1: 70% der Mietzinseinnahmen werden zur Bedienung der Kapitalkosten (Eigen- und Fremdkapital) aufgewendet und 30% für alle übrigen Kosten
- Annahme 2: 60% der Kapitalkosten entstehen durch das Fremdkapital und 40% durch das Eigenkapital
Im Auftrag des BWO führte IAZI eine umfassende Evaluation zur Überprüfung des Mietzinsmodells durch. Hauptziel der Studie war es, die oben beschriebenen Annahmen des ursprünglichen Mietzinsmodells rund 40 Jahre nach dessen Konzipierung auf ihre Aktualität hin zu prüfen. Dabei wurde das Modell im Rahmen dessen aktuell gültiger rechtlichen Anwendung beurteilt. Es wurden somit nur Kosten erfasst, die nach geltender Rechtsprechung bei der Mietzinsberechnung berücksichtigt werden dürfen. Wie in der Studie dargelegt wird, bestehen hier jedoch teilweise rechtliche Unklarheiten, deren Überarbeitung mit Blick auf die Studienergebnisse empfohlen wird.
Für die Studie hat IAZI erstmals umfangreiche Daten zur Kostenstruktur von vermieteten Wohngebäuden in der Schweiz erhoben, wobei nach Grösse, Alter und Eigentümerschaft der Gebäude unterschieden wurde. Zudem wurden auch die Auswirkung energetischer Sanierungen und unterschiedlicher Nebenkostenregimen auf die Liegenschaftskosten untersucht.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt
Seit den 1980er-Jahren hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt stark verändert. Einerseits ist das Zinsniveau seit der Schweizer Immobilien- und Wirtschaftskrise der 1990er-Jahre und besonders nach der Finanzkrise 2008 weltweit stark gesunken, ab 2015 legte die Schweizerische Nationalbank erstmals einen negativen Leitzins fest. Das Tiefzinsumfeld liess einerseits die Kosten von Fix- und Geldmarkt-Hypotheken stark sinken, andererseits führte es zu massiven Verschiebungen am Kapitalmarkt.
Besonders institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen haben enorme Kapitalvolumen in den Immobilienmarkt verschoben, also in den Bau und Kauf von Mehrfamilienhäusern. Solche Anlageimmobilien versprechen konstante Cashflows dank Mieterträgen sowie Wertänderungsrenditen aufgrund der stetig steigenden Preise.
Im Zuge der stark steigenden Teuerung aufgrund der Covid-Pandemie und des Ukrainekriegs hat eine temporäre Trendwende eingesetzt. Das Zinsniveau ist gestiegen, sodass sich auch erstmals seit Einführung der mietrechtlich relevante hypothekarische Referenzzinssatz erhöht hat, was zu Erhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen geführt hat. Die sogenannte Zinswende wurde mittlerweile von den meisten Notenbanken wieder rückgängig gemacht, sodass der Markt wieder auf Tiefstzinsen zusteuert.
Diese enorme Nachfrage nach Renditeliegenschaften seit der Finanzkrise 2008 widerspiegelt sich in einer fundamentalen Verschiebung der Besitzverhältnisse auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Waren im Jahr 2000 noch rund 31% der Mietwohnungen im Besitz institutioneller Eigentümerschaften, so waren es im Jahr 2023 bereits 44%. Diese Verschiebung der Eigentumsverhältnisse ging vor allem zu Lasten der Privatpersonen, deren Anteil im selben Zeitraum von rund 57% auf 45% sank. Institutionelle Eigentümer haben also nicht nur viele Liegenschaften neu bauen lassen, sondern haben auch zahlreiche Objekte in vormaligem Privatbesitz erworben.
Die Ergebnisse
Vor diesem Hintergrund zeigt die Studie, dass das offizielle Mietzinsmodell des BWO in mehreren Punkten nicht mehr aktuell ist. Das Verhältnis von beobachteten Fremdfinanzierungs- und übrigen Kosten (z.B. Betriebskosten) zu den Mietzinseinnahmen liegt für sämtliche Eigentümerschaften und Liegenschaftstypen unter den angenommenen Werten. So liegen etwa die übrigen Kosten der institutionellen Eigentümerschaften zwischen 20% bis 22%. Entsprechend fallen die Erträge auf das Eigenkapital höher aus als angenommen und liegen im Bereich zwischen 47% bis 72%.
Dies ist insbesondere auf eine veränderte Finanzierungsstruktur zurückzuführen: Institutionelle Eigentümerschaften, deren Anteil am Mietwohnungsbestand stark zugenommen hat, verfügen über weitaus mehr Eigenkapital (etwa aus Versicherungseinlagen) als andere Eigentümerschaften. Sie sind in den meisten Fällen, ob Erwerb oder Bau von Immobilien, nicht auf die Aufnahme von Fremdkapital angewiesen.
Lediglich bei Wohnbaugenossenschaften übersteigen die Fremdfinanzierung und übrigen Kosten die angenommenen Werte. Jedoch lässt sich für diese Eigentümerform aufgrund der geringeren Datenverfügbarkeit keine gesicherte Aussage treffen. So basieren die Erkenntnisse auf einer regionalen Branchenstatistik und Unterschiede in der Portfoliostruktur konnten nicht berücksichtigt werden.
Die Analyse zeigt ausserdem, dass die übrigen Kosten massgeblich von Alter und Grösse der Liegenschaft beeinflusst werden. Ältere und kleinere Liegenschaften verursachen tendenziell höhere Kosten, während der Eigentümertyp per se – mit Ausnahme der Wohnbaugenossenschaften – keine signifikante Rolle spielt.
Weiter resultiert, dass institutionelle Eigentümer und Wohnbaugenossenschaften Kosten aufweisen, die bislang nicht im Mietzinsmodell berücksichtigt werden, etwa Vergütungen für Fondsleitungen oder Genossenschaftsvorstände.
Schliesslich hat sich gezeigt, dass energetische Sanierungen zu sinkenden Heiz- und Nebenkosten führen, die Betriebs- und Unterhaltskosten jedoch kaum beeinflussen. Unterschiede in den Nebenkostenregimen haben zwar einen gewissen Effekt auf die Heiz- und Nebenkosten, jedoch fällt dieser aufgrund des geringen Anteils der Nebenkosten an den gesamten Mietzinseinnahmen kaum ins Gewicht.
Bedeutung der Ergebnisse
Die Studie zeigt, dass die Zusammensetzung der Kosten von Vermieterschaften sich fundamental von den Annahmen im ursprünglichen Mietzinsmodell unterscheidet. Interessant ist hierbei die Frage, wie sich die Bestandesmieten in den letzten Jahren entwickelt hätten, wenn das Modell tatsächlich die heute beobachteten Kostenstrukturen abbilden würde.
Das Mietzinsmodell des BWO geht von einem Fremdfinanzierungsgrad von 60% aus, sodass die Fremdkapitalkosten 42% der Mietzinseinnahmen ausmachen (60% von 70%). Die Analyse zeigt jedoch, dass gerade bei den institutionellen Eigentümerschaften, die besonders seit 2008 stark an Bedeutung gewonnen haben, der Fremdfinanzierungsgrad wesentlich tiefer liegt, und zwar bei rund 24%. Dadurch machen die Fremdkapitalkosten nur noch rund 19% der Mietzinseinnahmen aus (24% von 80%). Würden sich die Annahmen des Mietzinsmodells also stärker an den institutionellen Eigentümerschaften orientieren, so könnte ein höherer Anteil der Teuerung und ein geringerer Anteil der Veränderung des Referenzzinssatzes auf die Miete überwälzt werden.
Der heutige Überwälzungssatz für Veränderungen des Referenzzinssatzes basiert auf der Idee, dass die prozentuale Veränderung des Referenzzinssatzes anteilig zum Fremdkapital auf die Miete überwälzt werden darf. Gemäss Annahmen des Mietzinsmodells beträgt der Anteil der Fremdkapitalkosten an den Mietzinseinnahmen 42%. Das heisst, dass wenn beim damals vorherrschenden Zinsniveau von 5% der Referenzzinssatz um 0.25 Prozentpunkte steigt (prozentualer Anstieg von 5%), darf der Mietzins um 2.1% erhöht werden. Um die Mietzinsberechnung zu vereinfachen, wurden in der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) von 1990 einheitliche Überwälzungssätze für Zinssätze unter 5%, zwischen 5% und 6% und über 6% festgelegt, da das damalige Zinsniveau zwischen 5-6% lag. Daraus entstanden die derzeit gültigen Überwälzungssätze von 3%, 2.5% und 2%.
Würde man nun die VMWG der ermittelten Kostenstruktur für die institutionellen Eigentümerschaften angleichen, könnte nur noch rund 19% des prozentualen Anstieges des Referenzzinssatzes überwälzt werden. Bei einem Anstieg von 4% auf 4.25% würde der Mietzins somit nur um 1.2%, anstatt 3% steigen. Analog könnte dafür die Teuerung nicht zu 40% sondern zu 76% überwälzt werden.
Wie sich diese Veränderung auf die Höhe der Mietzinsen auswirken würde, hängt von der Entwicklung des Referenzzinssatzes und der Teuerung ab. Die untenstehenden Grafiken simulieren, wie sich die Bestandesmiete eines im Dezember 2015 und im Dezember 2020 abgeschlossenen Vertrages unter der derzeit gültigen VMWG und in einem gemäss Studie revidierten Modell entwickelt hätten. Das angepasste Modell geht dabei von einer Kostenstruktur aus, die näher an den institutionellen Eigentümerschaften ist (20% übrige Kosten und 80% Kapitalkosten, 24% Fremdkapital und 76% Eigenkapital). Analog zur VMWG wurde ein einheitlicher Überwälzungssatz für ein Zinsniveau unter 5% angenommen. Dieser basiert hier auf einem Anstieg von 4% auf 4.25%. Weiter wird im revidierten Modell bei der Überwälzung der Teuerung berücksichtigt, dass die Kapitalkosten nur rund 80% der Mietzinseinnahmen ausmachen. Somit wird die Teuerung im revidierten Modell zu rund 61% (80% von 76%) anstatt zu 76% überwälzt. Dies, weil eine solche Berücksichtigung auch Gegenstand der vom Bundesrat derzeit angestrebten Revision der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) ist. Weiterhin ist zu erwähnen, dass die allgemeine Kostensteigerung in dieser Rechnung nicht berücksichtigt wird.
Da im Zeitraum 2015-2024 der Referenzzinssatz je zweimal um 0,25 Prozentpunkte gestiegen und gesunken ist, die Teuerung jedoch in allen Jahren ausser 2019 positiv war, wären die Bestandesmieten für einen im Dezember 2015 abgeschlossenen Mietvertrag im revidierten Modell leicht stärker gestiegen. Das Gegenteil ist der Fall für einen im Dezember 2020 abgeschlossenen Mietvertrag, da hier seit Abschluss der Referenzzinssatz nur gestiegen ist. Dementsprechend führt die stärkere Überwälzung des Referenzzinssatzes gemäss bestehendem Modell zu einem stärkeren Anstieg der Mietzinsen.


Empfehlungen der Studie
Angesichts der Ergebnisse empfiehlt die Studie eine Überarbeitung des veralteten Mietzinsmodells. Dabei sollten insbesondere die folgenden Punkte berücksichtigt werden:
- Der veränderten Eigentümerstruktur und insbesondere der damit einhergehenden Finanzierung von Wohnimmobilien sollte Rechnung getragen werden. Das Mietzinsmodell ist stark durch die bei seiner Entstehung vorherrschenden Dominanz der Privatpersonen geprägt. Mittlerweile haben jedoch die institutionellen Eigentümerschaften, die über deutlich weniger Fremdkapital verfügen, an Bedeutung gewonnen. Idealerweise sollte das Mietzinsmodell möglichst unabhängig von der Eigentümerschaft und von der Finanzierungsstruktur ausgestaltet sein, ohne dass dabei für einzelne Eigentümerschaften Nachteile entstehen.
- Welche Kosten dürfen bei der Mietzinsgestaltung berücksichtigt werden? Einerseits deckt die Studie rechtliche Unklarheiten darüber auf, welche Kosten genau im aktuellen Mietzinsmodell berücksichtigt werden dürfen. Dies betrifft beispielsweise Rückstellungen für künftige Unterhaltsarbeiten. Andererseits wird deutlich, dass die Vergütungskosten institutioneller Eigentümerschaften und Wohnbaugenossenschaften bisher nicht berücksichtigt werden. Diese fallen eher bei grösseren Portfolios an. Inwiefern diese Kosten durch etwaige Skaleneffekte bei anderen Kostenpositionen kompensiert werden, wurde nicht untersucht. Hier ist eine Entscheidung notwendig, ob diese bei der Mietzinsgestaltung berücksichtigt werden sollen.
Fazit
Die Vorschriften zu Mietzinsanpassungen in bestehenden Mietverhältnissen basieren auf einem seit seiner Entstehung nicht mehr revidierten Modell. Die von IAZI AG durchgeführte Studie zeigt, dass keine der Modellannahmen der heutigen Realität der Immobilienfinanzierung entspricht. Eine Anpassung des Modells wäre deshalb angezeigt. Wie sich eine solche Anpassung auf die Mietzinsentwicklung auswirkt, hängt aber in entscheidender Weise von der Entwicklung der Teuerung und des Referenzzinssatzes ab.
Dieser Beitrag wurde revidiert am 27.01.2025
Autor/in
Thierry Leu
Associate Consultant Politics
thierry.leu@iazi.ch
Die sprachliche Überarbeitung des Textes erfolgte teilweise mit Zuhilfenahme von KI-Werkzeugen.
Autor/in
Simon Hurst
Senior Consultant
simon.hurst@iazi.ch