Arnaud de Jamblinne übergibt die Direktion von «La Foncière» an seinen Nachfolger

Arnaud de Jamblinne war 25 Jahre lang Direktor des Westschweizers Immobilienfonds «La Foncière» und tritt dieses Jahr in seinen verdienten Ruhestand. Am 1. April übergibt er den Stab an Michael Loose. Dieser ist momentan Managing Director bei Prime Living Management. Vorher war er in den Unternehmen Siemens, UBS, bei der SBB und bei Coldwell Banker tätig. Für IAZI-Quarterly eine gute Gelegenheit, die letzten 25 Jahre mit einem wichtigen Akteur der Schweizer Fondsgemeinde Revue passieren zu lassen.

IAZI-Quarterly: Sie waren die letzten 25 Jahre als Direktor von «La Foncière» tätig. Gibt es bestimmte Höhepunkte in Ihrer langen Karriere?

Arnaud de Jamblinne: Effektiv war diese Zeit sehr spannend und herausfordernd. In den letzten 25 Jahren hat der Schweizer Immobilienmarkt eine ausserordentliche Entwicklung durchgemacht. Als ich 1997 als Direktor bei «La Foncière» anfing, spürte man noch die letzten Nachbeben der Immobilienkrise. Vielleicht ist die folgende Anekdote für diese Periode aufschlussreich: Als wir damals Investoren für Immobilien suchten, hatten wir keinerlei Erfolg. Und wenn ich meinen Kollegen erzählte, dass ich im Immobilienbereich arbeitete, schaute mich mancher mitleidig an und wollte mir eine Stelle im Bankwesen vermitteln. Heute reissen sich fast alle um Immobilen, was sehr eindrücklich zeigt, wie sich die ganze Branche um 180 Grad gedreht hat.

Was mich auch sehr beeindruckt hat in diesen Jahren ist die demografische Entwicklung in der Schweiz. Als ich meine neue Stelle antrat im Mai 1997, gab es mal knapp 7 Millionen Einwohner, gegenwärtig leben 8.7 Millionen Menschen in unserem Land. Dieser Zuwachs hat den Bau von neuen Wohnungen gewaltig angekurbelt und dem Immobilienmarkt grossen Elan verliehen.

Doch was mich im Rückblick am meisten beeindruckt, ist die besondere Resilienz der Schweizer Wirtschaft. Nach einer kurzen Schwäche geht es immer wieder schnell aufwärts. Denken Sie zum Beispiel an die Finanzkrise von 2008 oder an die gegenwärtige Pandemie.

Stimmt es, dass Sie seit Beginn Ihrer Zeit bei «La Foncière» schon mit Schlüsselpersonen von IAZI Kontakt pflegten?

Oh ja, das stimmt. Ich glaube, dass die Gründung von IAZI etwa zur gleichen Zeit erfolgt ist. Doch einige der Schlüsselpersonen kannte ich schon vorher. Zum Beispiel die Professoren Bender und Hoesli. Später dann habe ich die Herren Scognamiglio und Sormani kennengelernt.

Heute ist IAZI ein unverzichtbarer Partner für «La Foncière». Wir schätzen besonders die hervorragende Zusammenarbeit mit Frau Montagner oder mit Herrn Sormani. Sie sind unsere bewährten Experten für die Immobilienbewertung unseres Fonds.

Was sind die Erfolgsfaktoren in der Bewirtschaftung eines Immobilienfonds?

Gerade in diesem Segment sind die regelmässigen Mietzahlungen von grosser Bedeutung. Unser Fonds will auf jeden Fall Leerstände in den Immobilien des Portfolios vermeiden; wir streben stets eine maximale Belegung der Gebäude an. Eine Leerwohnung bedeutet den Verlust einer Mietzahlung; das heisst Sie verlieren unwiederbringlich 8% der Bruttoeinnahmen. Ebenso sollte man als Fondsmanager ein Angebot schaffen, das auch wirklich den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. Zum Beispiel erachte ich es als sinnlos, luxuriöse Wohnungen in einem Quartier anzubieten, wo dieses Bedürfnis gar nicht existiert.

Abgesehen vom finanziellen Aspekt, darf man die Beziehungsebene nicht vergessen. Viele Vorhaben gelingen mit der Hilfe von Personen aus dem eigenen Netzwerk. Diese Beziehungen sind meistens sehr vorteilhaft für den weiteren Geschäftsgang. Diese Art von Beziehungen hat leider in den letzten Jahren aufgrund der Pandemie etwas gelitten.

Sind diese niedrigen Leerstände auch das Resultat einer guten Anlagestrategie?

Ja, sicher. Unsere Fondsstrategie verlangt, dass wir hauptsächlich in Wohnrenditeimmobilien investieren, die sich in den grossen Städten der französischsprachigen Schweiz befinden. Diese Strategie erlaubt es uns, Zeiten des Booms, aber auch Wirtschaftskrisen wie zum Beispiel eine Rezession gut zu überstehen. Unsere Investoren sind eben grösstenteils Pensionskassen. Sie erwarten von uns eine längerfristige Strategie und stabile Cashflows. Die einzige Schwierigkeit dabei ist es, immer auf Kurs zu bleiben, d.h. gewisse Opportunitäten abzulehnen, die nicht in unser strategisches Raster passen.

Viele Investoren sind jedoch einen anderen Weg gegangen und haben in der Peripherie investiert. Jetzt müssen sie dafür hohe Leerstände in Kauf nehmen.

Das hängt vor allem mit den verschiedenen Bedürfnissen in der Branche zusammen. Als Immobilienfonds sind wir nicht ständig dem Druck ausgesetzt, neues Geld gleich investieren zu müssen zu welchem Preis auch immer. Hier unterscheiden wir uns von einer Versicherung oder einer Pensionskasse. Vergessen Sie nicht, dass diese Institute oft gar keine andere Wahl haben, denn Negativzinsen oder Zinsen knapp über Null bieten eben keine Anlagealternative. Während des letzten IAZI-Kongresses in Lausanne hat der in unserer Region sehr bekannte Wirtschaftsprofessor Stéphane Garelli in seinem Referat nochmals hervorgehoben, wie unverständlich es für ihn ist, dass Guthaben in der Schweiz negativ verzinst werden. Den Aufwärtsdruck auf den Schweizer Franken zu vermindern ist eine Sache; die Pensionskasse zu bestrafen ist eine andere. Ich mache mir manchmal Sorgen, dass wir eines Tages eine Umkehrung der Situation erleben könnten.

Welche Kriterien müssen denn Immobilien erfüllen, um ins Portfolio von «La Foncière» zu gelangen?

Diese Immobilien müssen für uns interessante Wachstumsperspektiven aufweisen. Momentan ist es eher schwierig, Immobilien zu finden, die unseren Kriterien genau entsprechen, denn der Markt ist etwas ausser Rand und Band. Unsere Mitbewerber sind auch oft bereit, mehr zu bezahlen als wir.

Sind die ständig wachsenden Auflagen und behördlichen Bestimmungen auch eine Herausforderung für «La Foncière»?

Auf jeden Fall. Kürzlich hat man mir die Frage gestellt, was für mich die grösste Herausforderung sei. Die Antwort lautet: Die zunehmende Reglementierung des Wirtschaftslebens im Allgemeinen und des Immobiliensektors im Besonderen. Ich gebe Ihnen dazu ein eindrückliches Beispiel. Als ich bei «La Foncière» 1997 als Direktor anfing, gab es ein vierseitiges Reglement. Dort stand genau drin, was wir wann, wo, warum und zu welchem Preis machen müssen. Heute ist dasselbe Reglement 40 Seiten dick. Wenn Sie drei oder vier Seiten lesen müssen, ist es für Sie sicher möglich, diesen Inhalt wiederzugeben. Aber 40 Seiten lesen und memorieren? Das schafft doch niemand.

Schauen Sie sich zum Beispiel die Bestimmungen über energetische Sanierung an. Wir müssen also ein Gebäude isolieren, und es existiert eine Auflage, dass die Isolationsschicht 24 Zentimeter dick sein muss. Doch was ist, wenn Sie nur 18 Zentimeter Raum haben bis zum Rand der Parzelle? Dann müssen Sie vielleicht eine stärkere Isolationsschicht verwenden. Die Mehrkosten müssen auf jeden Fall wir tragen.

Anderes Beispiel: In etwa 30 Jahren sollen die Ölheizungen verschwinden. Aber womit werden sie ersetzt? Wenn Sie Solarpanels verwenden, gibt es sicherlich eine Bestimmung, die Panels verbietet aufgrund der Ästhetik oder des Denkmalschutzes. Wissen Sie, das Problem ist eigentlich, dass sich die Experten untereinander gar nicht einig sind oder nicht miteinander zu sprechen scheinen. So entstehen viele widersprüchliche Reglementierungen.

Energetisches Bauen gehört schon seit 10 Jahren zu unserem Business. Wir haben nicht die entsprechenden Bestimmungen oder Normen abgewartet, um ökologisch verantwortungsvoll zu handeln. Sei es bei den Heizungen oder bei der Dämmung der Gebäude. Wir haben uns dem Programm éco21 der SIG verpflichtet und unterstützen all unsere Mieter mit Rat und Tat bei der Umsetzung im Wasser- und Energieverbrauch.

Mieterverbände verbreiten manchmal das Bild des bösen Investors, gegen den die vermeintlich armen Mieter wehrlos sind. Wie gehen Sie damit um?

Also, Sie werden nie in einer Zeitung lesen oder im Radio hören, dass ein Zug pünktlich angekommen ist. Die Bad News sind meistens medientauglicher als die Good News. Ich gebe Ihnen dazu ein aktuelles Beispiel: Wir mussten allen Mietern eines Genfer Wohngebäudes kündigen, doch es ist uns innerhalb von nur drei Monaten gelungen, für alle 24 Mietparteien eine neue Wohnung in Genf zu finden. Nicht zuletzt dank unseren Beziehungen mit den Hausverwaltungen. Aber solche Geschichten stehen natürlich nie in der Tagespresse.

Möchten Sie Ihrem Nachfolger einen Ratschlag mit auf den Weg geben?

Nicht wirklich, ausser er möchte das ausdrücklich. Ich übergebe ihm ein aussergewöhnliches Instrumentarium – oder in anderen Worten: Ein kleines Rennauto, das ausgezeichnet läuft und bis jetzt sehr gute bis ausgezeichnete Resultate geliefert hat. Jetzt ist es an ihm, sich ans Steuer zu setzen und diese Erfolgsgeschichte weiter zu schreiben.

Michel Benedetti
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