Das Interview: Die Schweiz treibt BIM voran

«Dieser Zug lässt sich nicht mehr aufhalten»

In der Schweizer Baufachwelt gelten Sie als Mr. BIM. Was löst das bei Ihnen aus?

Manfred Huber: Das ist natürlich sehr nett und schmeichelhaft. Der Grund mag sein, dass ich mich für dieses Thema seit etwa zehn Jahren stark engagiere. Zum Beispiel als Präsident der SIA 2051, der BIM-Verständigungsnorm. Zudem baue ich im Bildungswesen momentan an der Fachhochschule Nordwestschweiz ein Institut auf, das sich mit dem Thema Digitales Bauen und Entwerfen tiefer auseinandersetzen wird. Ich bin aber bei weitem nicht der einzige, der sich für die Thematik des digitalen Bauens stark einbringt.

Gab es für Sie ein bestimmtes BIM-Initiationserlebnis?

Manfred Huber: Sicher gibt es da verschiedene. In den letzten 10 bis 15 Jahren wurden die Berechnungen und Themen in einem Bauprojekt immer komplexer und arbeitsintensiver. Ich denke da beispielsweise an die Berechnungen des Wärmeschutzes oder an das Thema Graue Energie. Bei mir und bei meinen Kollegen ist dann zeitgleich das Bedürfnis nach einer integralen Arbeitsmethode gewachsen. So fing ich an, mich tiefer mit BIM auseinanderzusetzen.

BIM soll eine neue Arbeitsmethodik für den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes definieren. Können Sie mir konkrete Beispiele nennen, wo ältere Methoden schon durch neue ersetzt wurden?

Manfred Huber: Ganz generell ist die Arbeit im Rahmen von BIM viel kollaborativer. Allmählich werden nun die früheren sequentiellen durch die neuen iterativen Prozesse abgelöst. Ich möchte das an einem Beispiel erklären. Früher haben Bauingenieure, Architekten oder Gebäudetechniker mit ihren eigenen Plänen gearbeitet. Vieles war in Papierform. Ebenso gab es unzählige Abstimmungsvorgänge zwischen Architekten, Bauingenieuren, Gebäudetechnikern usw. Alles war oft mit Warten verbunden. Heute erarbeitet jede Disziplin ihr eigenes, auf die anderen Partner abgestimmtes, digitales Bauwerksmodell. Der Gesamtleiter kann all diese einzelnen Modelle zum Beispiel im Wochenrhythmus zusammenlegen und erhält so ein integrales Bauwerksmodell mit allen Merkmalen und Informationen. Daraus ergeben sich dann sofort neue Erkenntnisse, Arbeiten und Pendenzen. Interessant dabei ist, dass nun eine einzelne Pendenz mit einer digitalen Wand oder einem anderen Element im Gebäude verknüpft ist und nicht auf irgendeiner zusätzlich zu erstellenden Excel-Liste figuriert.

Führt BIM denn auch zu einem neuen Denken?

Manfred Huber: Absolut. Damit die einzelnen Modelle wirklich miteinander harmonieren, müssen alle Ansprechgruppen ihre Ziele definieren, die sie mit dem integralen Modell erreichen möchten. Somit werden die einzelnen Arbeitsschritte der Berufsgruppen vielmehr aufeinander abgestimmt.

Was lässt sich denn bereits heute mit BIM automatisieren?

Manfred Huber: Die Mengenauswertungen beispielsweise sind bereits auf Knopfdruck erhältlich. Früher mussten hier ein Auszubildender oder ein Hochbauzeichner die entsprechenden Geschossflächen genau nachmessen und die Ergebnisse mit dem Taschenrechner summieren. Was neu dazukommt ist die so genannte Kollisionsprüfung. Sehr hilfreich ist diese beispielsweise beim Planen und der Modellierung von Elektro- und Sanitärleitungen, die aus verständlichen Gründen nicht kollidieren dürfen. Wenn ein solcher Fehler dann erst auf der Baustelle zu Tage kam, war es dann immer sehr teuer und aufwändig, diesen Mangel zu beheben.

Wie wird sich BIM auf die Kosten auswirken im Bauwerk?

Manfred Huber: Wenn sich mit BIM die Qualität im Bau erhöht und es zum Beispiel weniger Fehler in der Realisierung gibt, hat das sicher eine positive Auswirkung auf die Kosten. Andererseits lassen sich nun im Bau auch wieder besondere Formen im Holz- oder Metallbau realisieren, die in der Vergangenheit aus Kosten- oder Effizienzgründen weggefallen sind. BIM per se alleine wirkt sich aber nicht zwingend auf die Kosten aus. Dies muss eines der Ziele sein, die in der Anwendung der BIM-Methode vereinbart wurden.

Momentan ist der Neubau des Inselspitals ein Paradebeispiel für BIM? Welche Erkenntnisse erhofft man sich daraus?

Manfred Huber: Tatsächlich gibt es in der Schweiz noch ganz wenige Gebäude, die mit der BIM-Methodik geplant und bereits abgeschlossen worden sind. Das Inselspital ist momentan eines der grössten Bauvorhaben in der Schweiz und verfügt über eine hohe Komplexität. Dabei stösst die Planergemeinschaft Archipel und die Bauherrschaft auf Fragestellungen, die man beim normalen Wohnbau gar nicht haben wird. Nichtsdestotrotz verfolge ich das Projekt mit grösster Spannung. Übrigens waren sich die Planer von Archipel schon von Anfang an einig, dass dieses wichtige Projekt mit traditionellen Methoden gar nicht vernünftig zu bewerkstelligen wäre.

Welches sind die nächsten wichtigen Entwicklungsschritte?

Manfred Huber: Ich bin überzeugt, dass der Zug nicht mehr aufzuhalten ist. Trotzdem gibt es noch einige Hürden zu meistern. Bei der eigentlichen Submission oder Ausschreibung eines Projektes gibt es beispielsweise Kategorisierungen, die sich nicht so leicht in einem digitalen Baumodell abbilden lassen. Sehr spannend wird es dann auch, wenn BIM in der Phase der Realisierung zum Zuge kommt. Hier sind wir wirklich noch in den Anfängen. Mit Ausnahme vielleicht des Holzbaus, wo das digitale Modell schon Maschinen steuert.

Ist man in der Schweiz nicht etwas im Rückstand im Vergleich zu anderen europäischen Ländern?

Manfred Huber: Die Schweiz hat da einen rechten Sprung vorwärts gemacht. Unsere Baukultur lebt vom sehr hohen Engagement der Architekten und Bauingenieure. Das hilft uns sicherlich die Methodik einzuführen. In Grossbritannien hingegen sind die Treiber meistens die professionellen Liegenschaftsbesitzer, während in Deutschland der Staat das Thema BIM vorantreiben möchte. In der Schweiz pflegen wir in der Bauindustrie eher das Bottom-up-Prinzip. Das heisst, zuerst wird das Wissen in der Planungs-und Baupraxis entwickelt und anschliessend wird es zum Beispiel als SIA Norm festgehalten. Einige Länder beneiden uns dafür, dass wir unsere Norm SIA 2051 BIM, mit einer hohen Qualität, aber vor allem sehr schnell realisiert haben.

 

Michel Benedetti
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