«What a difference a day makes» ist der Titel eines beliebten Jazz-Standards. Das Lied beschreibt, wie ein einzelner Tag das ganze Leben durcheinanderzubringen vermag. Für die Schweiz dürfte dieser Tag am 16. März gewesen sein. Noch einen Tag zuvor hatten sich viele Menschen am schönen Frühlingswetter erfreut. In Grünanlagen und Gartenbeizen war schon ein bisschen Sommer zu spüren. Doch am Tag danach schickte die besorgte Landesregierung Teile der Wirtschaft und die Bevölkerung in einen temporären Lockdown.
Einig sind sich die meisten Konjunkturforscher darin, dass eine globale Rezession unausweichlich ist. Die Schweiz wird davon nicht verschont bleiben. Mit empfindlichen Rückschlägen ist im Detailhandel, im Tourismus, im Kleingewerbe, aber auch im Aussenhandel und im privaten Konsum zu rechnen. Der gegenwärtige Konsens der Wirtschaftsauguren deutet auf eine kräftige Erholung in der zweiten Jahreshälfte hin nach einer aussergewöhnlich heftigen Rezession im ersten Halbjahr. Bildlich gesehen ist das ein V-förmiger Verlauf.
Die Gesamtwirtschaft muss mit einigen Unsicherheiten und wechselnden Szenarien lernen umzugehen. Doch es gibt auch eindeutige Prognosen. Zum Beispiel, dass der Immobilienmarkt als fester Felsen in der Brandung nicht zu viel Schaden abbekommen wird. Zumindest im ersten Semester 2020. Im 1. Quartal verweisen die Zahlen der SWX IAZI Indizes auf ein schwaches, wenn auch positives Wachstum in den Segmenten Mehrfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser (siehe auch Artikel «Torpediert der Lockdown die Preisstabilität im Immobilienmarkt?» in diesem Newsletter). Ob sich dieses Wachstum auch im nächsten Quartal fortsetzen wird, ist derzeit die viel diskutierte Frage unter den Immobilienexperten.
Rekordhohe Leerstände im September
Bei den Renditeimmobilien im Wohnbereich werden Investoren in Anbetracht der aktuellen Situation mit niedrigeren Mieteinnahmen rechnen müssen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass ein Anteil der Mieterschaft eine Mietzinsreduktion aufgrund der Senkung des Referenzzinssatzes einfordert. Viele werden aber darauf wiederum verzichten. Vielleicht in der Hoffnung, dass sich der Vermieter später mal bei Mietzinserhöhungen auch kulant zeigen wird (siehe auch dazu Artikel «Mietpreise sinken für treue Dauermieter»).
Dem Coronavirus geschuldet wird hingegen die schwächere Nachfrage sein. Sie begründet sich durch die wirtschaftliche Unsicherheit, steigende Arbeitslosigkeit und durch den Umstand, dass nun viel weniger Zuwanderer in die Schweiz gelangen, da die meisten Aussengrenzen der Schweiz geschlossen sind. Eine schwächere Nachfrage, gepaart mit einem gleichbleibenden Angebot an Mietwohnungen, wird die Leerwohnungsziffer im September nochmals auf einen neuen Rekordstand hieven.
Privates Wohneigentum ist im Vergleich mit Mietwohnungen immer noch die kostengünstigere Variante. Das wird wohl für einige Zeit so bleiben, denn ein mögliches Anheben der Leitzinsen dürfte nun weiter in die Zukunft vorrücken. Dies begünstigt weiterhin die rekordtiefen Hypothekarzinsen. Obwohl die Tragbarkeitshürden der Hypothekarbanken sehr hoch sind, ist weiterhin damit zu rechnen, dass sich genügend Menschen ihren Traum nach privatem Wohneigentum erfüllen werden. Es ist auch nicht mit einer Verkaufswelle von Eigentumsobjekten zu rechnen.
Schwung und Optimismus kommen zum Erliegen
Laut dem Ende 2019 aktualisierten IAZI Swiss Property Benchmark® haben Geschäftsliegenschaften (Bürogebäude und Verkaufsflächen) recht erfreulich abgeschnitten. Die nicht realisierte Miete ist zurückgegangen, vor allem in den Kantonen mit grossen Büro- und Verkaufsflächen. Nach einigen Krisenjahren schien es im März 2020 so, als ob wieder etwas Schwung und Optimismus in dieses Marktsegment käme. Diese Erholung wird nur von kurzer Dauer gewesen sein. Die Nachfrage nach neuen Büroflächen wird aller Voraussicht nach stark abnehmen. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend. Erstens: Die Konjunktur in der Industrie und im Dienstleistungssektor sind nun durch Kurzarbeit und steigende Arbeitslosigkeit geprägt. Zweitens wird sich der Lockdown als eigentlicher Stresstest für den Home-Office-Modus erweisen. Es ist nicht auszuschliessen, dass Betriebe in Zukunft auf grössere Büroflächen verzichten und stattdessen neuen Mitarbeitenden anheimstellen, ob sie permanent im Büro oder in ihrem Home-Office arbeiten möchten.
Der Retail-Flächenmarkt war bisher schon durch den laufenden Strukturwandel geschwächt. Immer mehr Kunden verzichten auf die lange Einkaufstour und bestellen lieber bequem online. Wer kein überzeugendes Online-Verkaufsmodell hatte, war im Hintertreffen. In Grossstädten der Schweiz ist das Ladensterben vorangeschritten und hat auch vor traditionellen Namen nicht Halt gemacht. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise ist die Situation besonders anspruchsvoll für Mieter von Verkaufsflächen. Sie erleiden Ertragsausfälle durch fehlende Kunden, müssen aber gleichzeitig ihre Fixkosten bezahlen. Es gibt zwar eine Bereitschaft von Seiten der Flächenvermieter, durch Mietstundungen oder Mietverzicht das Weiterbestehen ihrer Mieter zu fördern. Dennoch ist vorauszusehen, dass es während und nach dem Lockdown zu Geschäftsaufgaben und Liquidationen kommen wird, was sich dann in schrumpfenden Mieteinnahmen niederschlagen wird.
Insgesamt stellt die Corona-Krise die Wirtschaftsauguren vor das Problem, dass eine solche Situation in der Weltgeschichte nur selten eingetreten ist. Epidemien hat es zwar immer gegeben, doch sie sind nie gleichzeitig und über den ganzen Globus verteilt aufgetreten. Analytisch betrachtet dürfte der Schweizer Immobilienmarkt mit Ausnahme des Luxussegments und der kommerziell genutzten Liegenschaften (Hotels, Gastro- und Tourismusbetriebe) nicht einen allzu grossen Schaden davontragen. Im Segment der Mehrfamilienhäuser sorgen sichere Cashflows und die weiterhin tiefen Zinsen dafür, dass Investoren weiterhin ins Betongold investieren werden. Bei privatem Wohneigentum ist mit einer schwächeren Nachfrage zu rechnen, denn viele Haushalte sehen derzeit ihr Jahresbudget gefährdet durch mögliche Lohneinbussen oder durch Wertverlust des Anlagevermögens. Dieser Nachfragerückgang wird allerdings teilweise dadurch kompensiert, dass im Vergleich zum letzten Jahr weniger Objekte inseriert werden.
Allerdings beruht diese Prognose auf der Annahme, dass spätestens in den frühen Sommermonaten die Wirtschaftslokomotive wieder Fahrt gewinnt und die Bürger wieder in einen normalen Alltag zurückkehren. Worst-Case-Szenarien sind in dieser Situation nicht sehr hilfreich. Sie verhelfen zwar den Medien zu höheren Auflagen, lassen aber meistens ausser Acht, dass unser Land im Laufe seiner Geschichte schon mit vielen Krisen, Kriegen und Katastrophen umgehen musste und dabei eine gewisse Resilienz aufgebaut hat.