Früher war vielleicht nicht alles besser, aber billiger. Klingt an sich plausibel, stimmt aber nicht. Einige Güter sind heute preislich deutlich günstiger. Beispielsweise zahlte ein Apple-Fan für seinen ersten Macintosh in den 1980-er Jahren 10 Mal mehr als für ein heutiges Modell. Oder gab es nicht Zeiten, als Musikliebhaber ziemlich viel Geld für eine Stereoanlage hinblätterten? Darüber können die digital affinen Millenials nur den Kopf schütteln. Musik, Internet, Radiowecker? Alles vorhanden im neusten Smartphone-Modell. Dennoch, für die meisten verzerrt sich die Wahrnehmung, wenn die Preise steigen. Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von einer «gefühlten Inflation». Gemäss dieser empfinden Menschen die Inflationsrate als deutlich höher, da einem die Preissteigerungen bei Produkten des täglichen Bedarfs mit hoher Kaufhäufigkeit präsenter sind als langlebige Güter wie Autos oder Elektronikgüter.
Einer der grössten Posten im Haushaltsbudget ist wohl fühlbar, aber auch faktisch teurer. Der Mietpreisindex des Bundes belegt es. Die Mieten seit 2004 sind um rund 20 Prozent gestiegen. Mietpreise sind in unserem Land emotional aufgeladen. Die Wohnkosten ermöglichen das individuelle Streben nach Glück und sorgen für die behagliche Wärme am Cheminée, wenn draussen die Winterstürme toben. Und wenn dieser Traum gefährdet ist, wenn vielen Bürgern der Schuh an der gleichen Stelle drückt, sind Politiker schnell zur Stelle, um diese Malaise in politische Forderungen umzumünzen. Mieterverbände mögen vielleicht den angeblichen dauerhaften Anstieg der Mieten so auslegen, als ob die Mieter um die gesetzlich festgesetzten Mietreduktionen geprellt würden. Seit 2008 sind Mietanpassungen an den hypothekarischen Referenzzinssatz gebunden. Bei der Einführung betrug der Zinssatz 3.5 %, heute beträgt er 1.5%. Wo sind dann bitte die Mietzinssenkungen, mag sich wohl der eine oder andere Mieter oder Interessenverband fragen?
Abweichungen in den Mietpreiskategorien
Tatsächlich sinken die Mieten auch, wenn Mieten differenziert betrachtet werden. Nennenswerte Unterschiede gibt es zwischen Bestandsmieten, wo der Mieter in der Wohnung verbleibt und Mieten von neu abgeschlossenen Verträgen, also den sogenannten Transaktionsmieten. Es besteht eine zunehmende Differenz zwischen den neuen Transaktions- und den laufenden Bestandsmieten laut einer vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) beauftragten Studie. Diese zeigt, dass die Transaktionsmieten im Extremfall um bis zu 70 bis 80 Prozent von den Bestandsmieten abweichen. Am stärksten sind diese Abweichungen am Genfersee, in den Regionen Zürich und Zug sowie in einzelnen touristischen Gebieten. Gleichzeitig gibt es im Raum Solothurn und dem Jurabogen auch Gebiete mit nur geringen Abweichungen von 10 bis 20 Prozent. Wie bereits erwähnt beträgt das Wachstum des BFS-Marktindex seit 2004 20 Prozent, während das Wachstum des IAZI Netto Rent Index in der gleichen Periode noch 13 % beträgt. Der IAZI Netto Rent Index zeigt die Entwicklung der eigenschaftsbereinigten Bestandsmieten. Hingegen wurden Mieter ohne Wohnungswechsel gemäss dem IAZI Rent Fidelity Index mit einem Preisabschlag von 8 % belohnt. Der IAZI Rent Fidelity Index zeigt die Entwicklung der Bestandsmieten von Mieter ohne Wohnungswechsel (siehe Grafik: «Preisentwicklung Mieten»).
Die Mieten in bestehenden Mietverträgen sind also durchaus gesunken. Und genau für diese Mieten ist das System des hypothekarischen Referenzzinssatzes geschaffen worden. Insbesondere geht es darum, die Mietzinsanpassungen für die Mieter in bestehenden Mietverhältnissen erträglich zu gestalten. Der Vermieter darf nach Vertragsabschluss die Miete erhöhen, wenn der Referenzzinssatz gestiegen ist. Umgekehrt kann bei einem fallenden Zinssatz jeder Mieter eine Reduktion des Mietzinses einfordern. Der Mietpreisindex des Bundes bildet den gesamten Markt ab. Wenn der Index nun trotz rückläufigen Zinsen weiter gestiegen ist, liegt dies vielleicht daran, dass der Rückgang bei Bestandsmieten durch einen Anstieg bei neu abgeschlossenen Mieten überkompensiert wurde. Wäre jede Referenzzinssenkung von den Vermietern weitergegeben worden, lägen die Bestandsmieten nicht nur um 8, sondern um 18 % unter dem Wert von 2009 (bei der hellblauen Linie der oben erwähnten Grafik). Nur rund 20 % der Vermieter geben aber die Senkung weiter, was auch damit zusammenhängt, dass Mieter diese nicht einfordern. Wieso das so ist, lässt sich nur vermuten. Vieles spricht für ein gegenseitiges Laissez-faire. Gegenseitig, weil bei den letzten beiden Erhöhungen des Referenzzinssatzes, die im Jahr 2008 stattfanden, nur ein Teil der Vermieter die Mieten tatsächlich erhöhte (siehe auch Grafik «Referenzzinssatz»).