Neues Klimaschutzgesetz auf dem Prüfstand

Das Volks-Nein zum CO2-Gesetz 2021 war für viele Befürworter*innen ein Schock. Das Votum warf die Frage auf, ob eine wirksame Klimapolitik angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse überhaupt möglich sei. Mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative liegt nun ein zweiter Anlauf vor: Das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit. Wo setzt die Vorlage den Hebel an? Und welche Auswirkungen hätte sie auf die Immobilienbranche?

Der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative verlangt, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird. Auf das radikale Verbot fossiler Energieträger der ursprünglichen Initiative wurde jedoch verzichtet. Vielmehr werden Zielgrössen gesetzt: Die grössten Klimafaktoren – der Gebäude- und der Verkehrsbereich – sollen bis 2050 netto kein CO2 mehr ausstossen und die Industrie ihre Emissionen um 90% gegenüber 1990 reduzieren. Dies soll in mehreren Etappen erfolgen: Der Gebäudepark etwa müsste bis 2030 mit der Hälfte der Emissionen auskommen. Sogenannte graue Emissionen, die bei Produktion, Transport und Bau anfallen, werden allerdings nicht berücksichtigt.

Finanziell rührt das Gesetz mit der grossen Kelle an: Insgesamt 2 Milliarden Franken Förderbeiträge über zehn Jahre aus dem allgemeinen Bundeshaushalt sind vorgesehen, um fossile und ineffiziente elektrische Heizsysteme zu ersetzen. Mit einem Verpflichtungskredit im Umfang von weiteren 1.2 Milliarden Franken soll der Bund über sechs Jahre hinweg Garantien für Gebäudesanierungen gewähren und die technische Innovation fördern. Während die meisten Verbote und Auflagen aus Angst vor einem erneuten Volks-Nein aus den Vorlagen verschwunden sind, wurden umso mehr Mittel zur Sicherung der Energieversorgung unter grünem Vorzeichen zugesprochen. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Sanierung des Gebäudebestandes.

Die Chancen des neuen Vorstosses sind solide: Zwar haben SVP und Hauseigentümerverband das Referendum ergriffen, über das am 18. Juni 2023 abgestimmt wird. Die Westschweizer Hauseigentümer haben demgegenüber die Ja-Parole beschlossen, der Konkurrenzverband Casafair ebenso. Damit befürworten zwei von drei Eigentümer-Verbänden das Gesetz. Für einen Erfolg des Gegenvorschlages spricht zudem, dass direkt weder höhere Benzin- noch Heizkosten anfallen würden, wie dies beim CO2-Gesetz aus dem Jahr 2021 der Fall gewesen wäre. Laut Sorgenbarometer der Credit Suisse ist die Umwelt denn auch die Hauptsorge der Schweizer Stimmbevölkerung. Gleichzeitig verspricht die Vorlage eine Vielzahl an Subventionen, ganz nach dem Motto «Viel hilft viel».

Herausforderung: Grüner Gebäudepark

Für einen emissionsfreien Gebäudebestand im Jahr 2050 ist laut einer Studie der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) in den nächsten 30 Jahren ein jährliches Investitionsvolumen von 2.1 Milliarden Franken erforderlich. Für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens wären insgesamt über 60 Milliarden Franken bis 2050 nötig. Strom soll zum zentralen Energieträger für Wärme werden, massgebliche Wärmelieferanten sind dabei elektrische Wärmepumpen und Wärmenetze.

Es gibt zwei entscheidende Massnahmen, um den Gebäudebestand energieeffizienter zu machen. Zum einen muss ein Gebäude mit erneuerbarer Energie beheizt werden, zum anderen muss die Gebäudehülle eine gute Wärmedämmung aufweisen. Sinnvollerweise werden beide meist gemeinsam in Angriff genommen. Es ist zwar durchaus möglich, eine Wärmepumpe in einem schlecht isolierten Haus zu installieren, doch muss diese folglich eine höhere Leistung aufweisen. Wird die Isolierung des Hauses zu einem späteren Zeitpunkt verbessert, wäre die Wärmepumpe überdimensioniert und könnte nicht effizient betrieben werden.

Doch was ist der aktuelle Stand bezüglich Beheizung des Gebäudeparks? Neubauten der letzten sieben Jahre kommen heute bereits zu rund 90% ohne fossile Heizsysteme aus. Der Fokus liegt also auf den Bestandsbauten. Diese werden laut Daten des Bundesamts für Statistik zu 60% fossil beheizt. Allein in Wohnbauten sind schätzungsweise 900 000 fossile Heizungen in Betrieb. Das geplante Klimaschutzgesetz möchte die Sanierungsquote stark anheben. Durch eine jährliche Unterstützung des Gebäudeprogramms von 200 Millionen Franken über zehn Jahre hinweg soll der Heizungsersatz gefördert und der Wärmeverbrauch durch Effizienzmassnahmen insgesamt gesenkt werden. Zusätzliche Investitionen aus der Privatwirtschaft sind aber unerlässlich für die Erreichung der Ziele (siehe Grafik).

Beispiel Wärmepumpe

Laut Energieperspektive 2050+ des Bundesamts für Umwelt sollen bis 2050 über 1.5 Mio. Wärmepumpen verbaut sein. Gefördert werden sie vom Gebäudeprogramm: Der Kanton Basel-Stadt beispielsweise spricht für eine Luft-Wasser-Wärmepumpe pauschal 8’000 Franken (+250 Franken / kWth). Mit momentan 40‘000 installierten Wärmepumpen pro Jahr (2022) ist der Gebäudesektor absolut betrachtet auf dem richtigen Weg, setzt jedoch teilweise an falscher Stelle an. Neu installierte Wärmepumpen ersetzen oft nicht fossile Heizsysteme, sondern solche, die bereits durch erneuerbare Energie gespiesen wurden.

Die Energieforschung der Stadt Zürich stellte fest, dass zwischen 2010 und 2018 in Gebäuden privater Eigentümer in rund neun von zehn Fällen fossile Heizsysteme erneut durch solche Anlagen ersetzt wurden. Während in den Kantonen Zürich, Glarus oder Basel-Stadt der Einbau von Ölheizungen ausser in Ausnahmefällen mittlerweile verboten ist, erlauben etwa die Kantone Bern und Aargau diese weiterhin.

Ausblick

Ein hoher Investitionsbedarf, der kantonale Regulierungsdschungel und eine fehlende einheitliche Datengrundlage sind die drei grössten Hindernisse auf dem Weg zu einem grünen Gebäudepark; zumindest das erste wird durch die Vorlage angegangen. Das regulatorische Dickicht und strengere Vorschriften dürften sich aufgrund teils weitreichender politischer Vorstösse auf kantonaler Ebene in den kommenden Jahren akzentuieren. Vor allem in den Städten werden Sanierungsprojekte zudem durch Mietzinsobergrenzen und Lärmschutzbestimmungen gehindert. Die Vorlage hätte durchaus Potential, um die Gebäudesanierung voranzutreiben, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Doch auch ohne Gesetz ist die Sanierung des Schweizer Gebäudeparks in den kommenden Jahren ein wichtiges Thema für den Immobilienmarkt.

In der nächsten Ausgabe widmet sich IAZI-Quarterly dem zweiten Hindernis für einen grünen Gebäudepark: dem kantonalen Wirrwarr an Vorschriften im Energiebereich.