Wir wollen mehr sein als die Nr. 1 in einem kleinen Markt

Die Hypotheken-Plattform Valuu hat vor vier Jahren den ersten digitalen Vergleich und Abschluss von Online-Hypotheken in der Schweiz lanciert. Thomas Jakob, Leiter der Business Unit «Plattform-Business» von PostFinance, spricht im Quarterly-Interview über die ambitionierten Ziele, ob sie erreicht worden sind, und wie weit die Schweiz inzwischen auf dem Digitalisierungspfad vorangeschritten ist.

Quarterly: Möchten Sie sich vielleicht kurz unseren Leserinnen und Lesern vorstellen?

Thomas Jakob: Sehr gerne. Mein Name ist Thomas Jakob; ich bin CBO der Business-Unit «Plattform Business» von PostFinance in der auch die bekannte Hypotheken-Plattform Valuu eingebunden ist. Bevor ich zu PostFinance gekommen bin, habe ich eine Weile als «Technology Scout» im Silicon Valley gearbeitet. Ursprünglich bin ich diplomierter Elektroingenieur; später dann absolvierte ich ein MBA am MIT in Boston. Generell kann ich sagen, dass mein Lebenslauf geprägt ist durch Innovation, Weiterentwicklung, Business Development und Technologie. Die Kombination dieser Elemente gefällt mir sehr gut, und dafür schlägt auch mein Herz.

Stellen Sie bitte unseren Leserinnen und Lesern doch kurz Ihr jüngstes Projekt Valuu vor.

Valuu ist meines Wissens die einzige Plattform in der Schweiz, die einen kompletten, transparenten Vergleich von Hypothekarangeboten anbietet. Nutzerinnen und Nutzer vergleichen die Hypothekarangebote in der Schweiz, suchen aus, mit welchem Kreditgeber sie ihre Finanzierung machen möchten und schliessen das passende Angebot direkt über die Plattform ab – begleitet oder unbegleitet, je nach Wunsch. Mit diesen Alleinstellungsmerkmalen hat Valuu seit dem Start viel Aufmerksamkeit auf dem Markt erhalten.

Welche Ziele hat man damals bei der Lancierung von Valuu definiert? Und haben sich diese Ziele erfüllt oder verändert?

Auf diese Frage gibt es eine mehrdimensionale Antwort. Wir wollten damals als Vergleichs- und Abschlussplattform für Hypotheken die Nr. 1 auf dem Schweizer Markt werden, und das sind wir meines Erachtens auch geworden. Darauf können wir stolz sein. Doch der Markt ist nicht so stark gewachsen, wie wir es erwartet hatten. Mit dem erreichten Hypothekarvolumen sind wir heute nicht dort, wo wir die Zielmarke gesetzt haben. In der Sichtbarkeit und Wirkung haben wir unsere Ziele erreicht. Allerdings würde ich das heute als Etappenziel betrachten. Wir wollen nicht nur Nr. 1 in einem kleinen digitalen Markt sein, sondern einen Schritt weitergehen und den Markt nachhaltig verändern. Die Schweiz braucht einen transparenten Vergleich von Hypothekarangeboten, die einfach abgeschlossen werden können.

Was war damals schwierig in der Anfangsphase?

Wir sind in einen Markt eingestiegen, für den es hierzulande noch keinen Referenzwert gab. Hingegen war das Ausland in diesem Segment sehr aktiv. Unser Gedanke war: Das Hypothekarvolumen in der Schweiz ist riesig. Wenn wir nur fünf Prozent dieses Marktes bearbeiten könnten, wäre das ein grosser Erfolg. Von daher war es am Anfang schwierig, gewisse Richtpunkte zu definieren. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir die richtigen Kriterien gefunden haben. Das ist aber für ein solches Vorhaben normal.

Gab es weitere Herausforderungen?

Bei der Programmierung der Valuu Applikation mussten wir gleich zu Beginn die ganze Prozessstrecke des Hypothekargeschäfts abbilden, denn ein Kunde kann ja seine Hypothek nicht nur teilweise abschliessen. Das hat ein relativ hohes Commitment gleich zum Start benötigt. Auch haben wir einiges in eine Mobile Applikation investiert. Doch dann haben wir festgestellt, dass viele Anwender sich zwar über ihr Mobiltelefon informierten, aber für den eigentlichen Abschluss ihre Daten lieber über einen Computer eingaben. Somit mussten wir uns hier in die Richtung einer webbasierten Desktoplösung bewegen. Nach der Lancierung von Valuu entstand schnell sehr viel Konkurrenz auf dem Markt. Um uns den Vorsprung zu erhalten, haben wir laufend optimiert und viel investiert. Hier die Balance zwischen Weiterentwicklung und Betrieb zu finden, war nicht immer einfach.

Wie unterscheidet sich Valuu von anderen Plattformen?

Wir wollten von Anfang an eine Plattform schaffen, die auf beiden Seiten transparent ist. Das heisst: Auf der einen Seite sieht der Kunde alle vorhandenen Hypothekarangebote schnell und transparent. Auf der anderen Seite hat jeder Kreditgeber die Möglichkeit, jeden der Kunden anzuwerben. Wenn ich andere Mitbewerber betrachte, gibt es oft Einschränkungen auf der einen oder anderen Seite. Hier hat Valuu mit einer vollen Transparenz ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal erarbeitet und sich einem offenen Plattformmodell verschrieben.

Ist denn jetzt das Hypothekargeschäft bei Valuu vollständig digitalisiert?

Grundsätzlich ist die ganze Antragsstrecke digitalisiert. Das heisst: Sie geben Ihre Daten ein, anschliessend erfolgt ein automatischer Abgleich mit den Angeboten; Sie wählen das passende Angebot aus, und das Dossier geht dann direkt an den gewählten Kreditgeber. Allerdings haben wir den Prozess bewusst unterbrochen, um einen Quality Check einzuführen. Wir haben gelernt, dass einige Anwender noch nicht über alle Daten verfügen, wenn sie sich für eine Hypothek bewerben, oder sie erfassen die Daten nicht hundertprozentig korrekt. Die Angebote basieren auf den eingegebenen Daten und können irreführend sein, wenn zum Beispiel das Vermögen falsch erfasst wurde. Beim Quality Check prüfen unsere Fachexpertinnen und Fachexperten das Dossier und rufen zurück, falls etwas fehlt oder nicht korrekt ist.

Also ist Valuu schon fertig mit der gesamten Digitalisierung des Hypothekargeschäftes?

Nein. Überhaupt nicht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Viele Kunden haben ihre Daten in Form von Papier aufbewahrt. Aktuell gibt es noch keine Erkennungslösungen für die Digitalisierung dieser Dokumente, welche zu 100 Prozent die Daten richtig erfasst. Nehmen Sie einen Vorsorgeausweis. Wenn nur 95 Prozent korrekt erkannt werden, ist das noch nicht genug, weil vielleicht die essenzielle Information in diesen 5 Prozent verborgen ist. Oder wenn sich der Falz des Papiers an einer wichtigen Stelle befindet und dadurch eine Zahl falsch eingelesen wird, kann kein korrektes Angebot gemacht werden. Bei einem Hypothekargeschäft dürfen solche Fehler nicht passieren.

Wie sieht die Zukunft aus?

Wunderbar wäre, wenn ein System eine hohe automatisierte Beratungsintelligenz mitbringen würde, die dem Kunden helfen würde, die beste Hypothek zu finden. Zum Beispiel: Es erkennt automatisch, dass der Kunde noch Pensionskassengelder besitzt und empfiehlt ihm, diese zu verpfänden. Auch Steueroptimierungen wären interessant. Solche Intelligenz ist noch nicht vorhanden, aber ich glaube sie ist schon am Horizont erkennbar.

Denken Sie, dass die physischen Beratungen je ganz ersetzt werden?

Beim Start von Valuu gingen wir davon aus, dass die fortschreitende Digitalisierung dazu führen würde, dass massiv weniger Leute eine physische Beratung zum Hypothekargeschäft benötigen. Heute wissen wir, wie nachgefragt eine Beratung nach wie vor ist. Es wird also wohl noch lange beide Möglichkeiten geben – ein digitales und ein physisches Kundenerlebnis. Das heisst: Wir bewegen uns in einer hybriden Welt. Die Herausforderung wird sein, einen Weg zu finden, wie die hybride Begleitung der Kunden gewinnbringend und effizient gestaltet werden kann, so dass sich der Kunde wohlfühlt und die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Bei einer Hypothekarberatung ist das meines Erachtens durchaus möglich.

Ich zitiere aus einem Interview, wo Sie sagen: «Der Shift zur digitalen Lösung in der Schweiz ist ein grosser, siehe Twint oder Onlinebanking». Stimmt diese Aussage noch?

Als ich das Interview gab, fristete Twint noch ein Schattendasein. Heute hat sich die Zahlungslösung etabliert. Aber das hat gut und gerne acht Jahre gedauert. Das ist im Technologieumfeld eine lange Zeit. Das Problem der Schweiz ist meiner Meinung nach das folgende: Die bestehenden Systeme laufen hervorragend. Deshalb gibt es wenig Druck das Bestehende zu verändern – es läuft ja. Anders in Ländern, wo es weniger gute Infrastrukturen gibt und beispielsweise keine flächendeckenden Dienstleistungen sichergestellt werden können. Dort stossen digitale Applikationen oft auf grosses Interesse, was dann auf die Implementierung den nötigen Druck ausübt.

In welche Richtung wird sich denn Valuu weiterentwickeln?

Unsere Ambition ist, dass Valuu das Rückgrat für jede Finanzierungsentscheidung in der Schweiz wird. Bei Valuu erhalte ich eine Auslegeordnung, die besten Zinssätze und kann direkt abschliessen. Sicherlich werden wir nie 100 Prozent des Schweizer Marktes abdecken. Denken Sie an die Spezialfälle wie zum Beispiel Luxusobjekte oder Geschäftsliegenschaften. Aber wer eine Standarthypothek braucht, sollte zu Valuu gehen. Denn was ist die Alternative? Man geht von Banktermin zu Banktermin, lässt sich jeweils ein Angebot geben, und beim Abschluss weiss man nicht, ob der Zinssatz wirklich der Beste ist. Macht doch irgendwie keinen Sinn, oder?

Was würde passieren mit Valuu, wenn die PostFinance eines Tages doch noch Kredite geben dürfte?

Das ist eine sehr spannende Frage. Wir haben Valuu so aufgestellt, dass es jederzeit möglich wäre, das Kreditangebot der PostFinance über unsere Plattform zur Verfügung zu stellen.

Schauen wir noch zum Schluss die Zusammenarbeit mit IAZI an. Was ist die Qualität dieser Kooperation?

Ich kann mich sehr gut an den Anfang unserer Zusammenarbeit erinnern. Das war gleich zu Beginn unserer Unternehmenstätigkeit. Damals haben wir angefangen, Software zu entwickeln und wollten dem Verwaltungsrat schnell zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg waren. So haben wir in Zusammenarbeit mit IAZI die App «Homecheck» entwickelt. Diese App war unsere Vorzeigeentwicklung, mit der wir sagen konnten: Das Team ist bereit, wir können bereits entwickeln und auch mit Partnern gut zusammenarbeiten. Heute gibt es viele Verflechtungen mit IAZI. Wir verwenden die Bewertungsschnittstelle von IAZI oder beteiligen uns auch am CAS-Ausbildungsprogramm, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ich schätzte diese Partnerschaft sehr.

Ihr Medienkontakt
Michel Benedetti