„BIM bringt eine deutliche Steigerung der Planungs- und Kostengenauigkeit“

Vor rund 20 Jahren ist der Ausdruck „Building Information Modeling“ (BIM) zum ersten Mal in der Softwareindustrie aufgetaucht. Doch erst seit drei Jahren hat BIM die Bauindustrie in der Schweiz richtig aufgemischt. Mit dem Neubau des Inselspitals wird die Schweiz ein Leuchtturmprojekt mit Open-BIM-Methodologie vorweisen können.

Mit viel Fantasie und aus der Vogelschau betrachtet wird das bekannte Berner Inselspital seinem Namen mehr als gerecht. Im Prinzip ist es nämlich keine Insel, sondern gleicht eher einem Archipel von bunt zerstreuten Einzelgebäuden auf einem grossen, grünen Campus. Die Extreme reichen von einer schmucken, historischen Spitalkapelle bis zu einem mehrstöckigen Bettenhochaus aus den 1970er-Jahren. Was für den Besucher so reizvoll erscheint, ist für die Mitarbeitenden des Spitals im Laufe der Zeit offenbar zur Belastung geworden. Wortlaut einer Abstimmungsbroschüre: „Über viele Jahre hinweg hat sich das Areal von einer ursprünglich klar strukturierten Pavillonanlage zu einer ungeordnet gewachsenen Baustruktur mit räumlich dezentralen Anlagen entwickelt. Neue Gebäude wurden in der Vergangenheit weitgehend ohne übergeordnete Planung gebaut. Die daraus entstandene organisatorische Zersplitterung hat ineffiziente Betriebsprozesse zur Folge.“

Berner wollen ziemlich hoch hinaus

Das Gros des Berner Stimmvolks hat sich im März 2015 für den „Masterplan“ des Spitalkomplexes ausgesprochen. Bis ins Jahr 2050 soll es geordneter und dichter werden auf dem Campus. Dichter für Berner Verhältnisse heisst jedoch nicht in den Himmel wachsen. Auf den vier zentralen Baubereichen ist die Realisierung von Hochhäusern bis zu einer maximalen Höhe von 90 Metern möglich. An den Rändern zu den Quartieren verringert sich die bauliche Dichte beziehungsweise die Baumasse. Ein Blick in eine nähere Zukunft ist jetzt schon möglich.

Im übersichtlichen Glaskasten-Modell hat das jetzige Wahrzeichen, das Bettenhochhaus und einem gläsernen Hochbaukomplex Platz gemacht. Hier entsteht das neue Kernstück des Inselspitals, der Neubau des Baubereichs 12 mit dem Schweizer Herz-und Gefässzentrum sowie verschiedenen Fachkliniken. Im Sockel befinden sich fünf Behandlungsgeschosse mit Ambulatorien, Operationssälen, bildgebender Diagnostik und IMC-Units (Intermediate-Care). In den Türmen darüber befinden sich zehn Betten- und Bürogeschosse. Insgesamt sind in diesem Baubereich 3’500 Räume geplant. Diese werden bis ins letzte Detail, das heisst bis zum Bodenbelag, der spitaltechnischen Einrichtung und der Türklinke durchgeplant und in einer riesigen Datenbank festgehalten. Es ist jetzt schon voraussehbar, dass die jahrelangen Bautätigkeiten mit einer Operation am offenen Herzen vergleichbar sind. Stillstand ist keine Option. Jeder Einschnitt muss sitzen. Der Spitalbetrieb behält seine Anforderung, 365 Tage im Jahr in einem 24-Stunden-Betrieb zu funktionieren.

Tablet auf der Baustelle

In einem peripheren Gebäude des Campus, einem ehemaligen Personalhaus hat Bruno Jung sein Büro eingerichtet. Im Rahmen der Bauherrschaft fungiert er als Gesamtprojektleiter für den Neubau Baubereich 12. „Man ist sich bereits vor einigen Jahren einig geworden, dass man die Komplexität des Bauvorhabens ohne BIM gar nicht lösen könnte“, sagt Jung.

BIM steht für „Building Information Modeling“ und ist eigentlich nichts Neues. Vor rund 20 Jahren tauchte das Wort zum ersten Mal in der Softwareindustrie auf, doch erst vor rund drei Jahren erfasst BIM die gesamte Schweizer Baubranche. BIM beschreibt Methoden der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken anhand eines digitalen Gebäudemodells, das ständig mit Informationen bereichert wird. Faktisch ersetzt es die zahlreichen physischen 2-D-Pläne, die bisher in einem Bauprojekt ständig herumgereicht wurden. Der digital aufgeschlossene BIM-Architekt oder BIM-Planer wäre also eher mit einem Tablet auf der Baustelle unterwegs. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen „Open“ und „Closed“ BIM. Während das erste Modell auf offenen Standards und Arbeitsabläufen basiert, bedingt das zweite, dass alle Planer mit der gleichen Softwarelösung in einem Projekt arbeiten.

Kollisionsprüfungen als Lackmustest

Für die Planung und Realisation des Neubaus hat sich die Planergemeinschaft Archipel gebildet. Sie besteht aus den beiden Berner Büros GWJ Architektur und IAAG Architekten sowie dem Kölner Architekturbüro Astoc. Zafer Bildir, Planungsleiter, blickt bereits auf mehr als drei Jahre Planungsarbeit in dem Projekt zurück. Das grossräumige Sitzungsbüro hat schon Platz geboten für unzählige BIM-Meetings, sei es mit dem Bauherrn, mit Planern oder Haustechnikern. Es gibt 23 Subplaner, die schon seit dem Wettbewerb mitwirken. Als ideelle Stütze dient immer das digitale Gebäudemodell. Sowie die Planung voranschreitet, umso feiner bildet das Modell die entsprechende Planungsstufe ab. Ebenso ist das Modell eine Konsolidierung von 3-D-Einzelmodellen, die von jedem Fachbereich erstellt werden. So wird sich z.B. ein Modell nur auf die Lüftungen und Sanitärleitungen konzentrieren, während ein anderes die Innenräume zuweist.

Der Lackmustest besteht dann zum Beispiel in der so genannten Kollisionsprüfung. „Die Kollisionsprüfung zeigt die Mängel auf und gibt gleichzeitig die Grundlage, um diese möglichst zeitnahe zu beheben“, sagt Zafer Bildir. Ein klassischer Fehler sei, wenn eine Lüftungs- auf eine Sanitärleitung träfe. Bei der Prüfung sei das sofort ersichtlich und könne nach einer BIM Sitzung im Model als Task zugewiesen werden. „Meine Rolle sehe ich so, dass ich in jeder Phase die Verantwortlichen mit dem Bauherren zusammenbringe und mit Ihnen die unklaren Themen bespreche und koordiniere“, sagt Bildir. Mit dem Bauherrn z.B. gäbe es in der gegenwärtigen Phase bis zu 150 Einzelthemen zu besprechen. Der Bauherren-Vertreter ist überzeugt, dass sich dieser Aufwand auszahlen wird. „BIM bringt eine deutliche Steigerung in der Planungs- und Kostengenauigkeit“, sagt Projektleiter Bruno Jung. Viele Eckdaten liessen sich mit BIM jetzt mittels Knopfdruck ermitteln, wohingegen früher vieles durch Einzelpersonen zusammengetragen und berechnet wurde. Darüber hinaus sei der Baubereich 12 des Inselspitals eines der grössten Bauwerke der Schweiz.

Tatsächlich werden bis zur geplanten Vollendung in etwa sechs bis sieben Jahren verschiedenste Nutzer, Planer und Unternehmer mitarbeiten. „Eine so lange Realisierungszeit wird sicher auch viel Wechsel, sei es bei den Firmen oder Menschen bedeuten. In diesem Fall ist die Datenkonsistenz ein sehr grosser Effizienzgewinn und Sicherheit”, sagt Bruno Jung.

Michel Benedetti
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