«Bauen ist per se nicht schlecht»

Beschränktes Bauland, sinkende Zinsen, steigende Preise. Wohnen in Miete oder im Eigenheim ist ein sehr wichtiges Traktandum in der Politikagenda. IAZI-Quarterly wollte vom Politiker Hans-Jakob Boesch wissen, wie er die Wohn- und Bauthemen politisch sowie auch persönlich beurteilt. Hans-Jakob Boesch ist Zürcher FDP-Präsident und kandidiert für den Nationalrat.

IAZI-Quarterly: Was fällt Ihnen spontan zum Thema Immobilien ein?

Hans-Jakob Boesch: Zum einen meine Wohnung, wo ich mich wohlfühle und zu Hause bin. Zum anderen sind Immobilien eine Investitionsmöglichkeit und Teil der Altersvorsorge.

Haben Sie sich Ihren Traum nach privatem Wohneigentum schon erfüllt?

Nein, ich wohne in einer Mietwohnung und bin sehr zufrieden damit. Denn es hat den Vorteil, dass ich flexibel bin, wo und wie ich wohnen möchte. Wohneigentum hat für mich keinen besonders emotionalen Wert, sondern ist primär eine mögliche Finanzanlage. Ich fühle mich in einer Mietwohnung genauso zu Hause wie in einem Eigenheim. Und solange der Immobilienmarkt spielt, also ein genügend grosses attraktives Wohnungsangebot besteht, ist auch das Risiko einer Kündigung tragbar.

Wie beurteilen Sie generell die Hürden für den Erwerb von privatem Wohneigentum?

Aus Sicht der einzelnen Bürgerinnen und Bürger sind die restriktiven Tragbarkeitsvorschriften eigentlich eine zu hohe Hürde. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sind diese aber gerechtfertigt: Bei einem Zinsanstieg kämen viele in Zahlungsschwierigkeiten und müssten schmerzhafte Vermögensverluste tragen – mit entsprechend negativen Folgen für die Volkswirtschaft und die staatlichen Sozialausgaben.

In den 60er-Jahren galten Neubauten als Zeichen des Fortschritts. Heute kursieren Wörter wie Zersiedlung oder Siedlungsbrei. Die heutige Raumplanung möchte das Bauland beschränken. Ab wann hat Bauen sein fortschrittliches Flair verloren? Was sind die sozialen und wirtschaftlichen Folgen?

Bauen ist nicht per se schlecht. Es kommt darauf an, wo, was und wie gebaut wird. Dass heute auf der grünen Wiese nicht mehr gebaut werden soll, ist richtig. Gerade bei steigender Bevölkerung müssen wir die Naherholungsgebiete, Grünflächen und Naturlandschaften erhalten. In den Siedlungen soll hingegen mehr und dichter gebaut werden. Und das soll und kann mit hoher Qualität erfolgen, so dass trotz höherer Dichte eine hohe Wohnqualität besteht. Das Problem heute ist nicht, dass das Bauland beschränkt wird, sondern dass das Bauen innerhalb der Bauzonen erschwert wird. Gerade in den grossen Städten, die sehr attraktiv sind, verhindert leider die Politik, dass mehr und schneller Wohnungen für Familien gebaut werden.

Derzeit gibt es sehr viele Vorstösse zur Förderung von «bezahlbaren» Wohnungen. Was ist aus ihrer Sicht bezahlbar?

Auswertungen zeigen, dass für die grosse Mehrheit der Bevölkerung die Wohnkosten weniger als 25 Prozent des Einkommens ausmachen. Das halte ich für bezahlbar, zumal die Kosten für Lebensmittel etc. deutlich zurückgegangen sind. Für die sozial Schwächeren in unserer Bevölkerung können die Wohnkosten hingegen rasch ein Drittel und mehr des Einkommens ausmachen. Sie sollen mit subventionierten Wohnungen unterstützt werden (oder noch besser: mit Subjektfinanzierung). Absurd ist es hingegen zu behaupten, die Wohnungen seien nicht mehr bezahlbar, nur weil die Mehrheit der Bevölkerung – ich selbst eingeschlossen – sich am Zürcher Bellevue keine 4-Zimmer-Wohnung leisten kann.

Sie sind seit einiger Zeit in der Zürcher Politik aktiv. Was sind nach Ihrer Meinung die wichtigsten politischen Herausforderungen im Bereich von Wohnen, Immobilien und Raumplanung in unserem Kanton?

Was die Raumplanung betrifft, ist der Kanton Zürich gut unterwegs: Das Wachstum soll in den Ballungszentren stattfinden und das Siedlungsgebiet nicht mehr weiter ausgeweitet werden. Problematisch ist hingegen, dass die rot-grün regierten Städte immer stärker die privaten Anbieter auf dem Immobilienmarkt konkurrenzieren und ihnen das Bauen erschweren. Das Gegenteil müsste der Fall sein: Planung und Bau von Wohnungen müssten schneller und effizienter ablaufen, so dass dort, wo eine hohe Nachfrage nach Wohnungen besteht, diese auch tatsächlich angeboten werden können. Dass in der Stadt Zürich Familien keine Wohnung finden, während auf dem Land ganze Wohnblocks leer stehen, zeigt, dass wir heute weit davon entfernt sind.