Quo vadis Zweitwohnungen: Episode III

Hotelbetriebe leiden stärker unter dem Euro-Schock

Für die letzte Folge der Serie «Quo vadis Zweitwohnungen» hat IAZI-Quarterly die Folgen der Zweitwohnungsinitiative für die Schweizer Hotellerie untersucht. Mit dem Verkauf von Zweitwohnungen konnten sich Hotels bisher querfinanzieren.

Laut einer Analyse des Tagesanzeigers sind nicht alle Tourismusregionen von der Schwäche des Euros gleich stark betroffen. Als besonders gravierend erwiesen sich die Auswirkungen in Graubünden. Dort sind die Buchungen aus dem Euroraum um 23 Prozent eingebrochen seit die Nationalbank im Januar 2015 den Mindestkurs aufgegeben hat. Für Claude Meier, Direktor des Branchenverbands hotelleriesuisse erwachsen der Branche grosse Herausforderungen. «Für die Branche ist das primäre Ziel die Weiterführung wettbewerbsfähiger Betriebe. Konkreter sind die konventionellen im Familienbetrieb geführten Hotels ein Auslaufmodell und auch den Hotelketten weht nun ein kühlerer Wind entgegen», sagt Meier.

Eine Studie von BHP Hanser & Partner AG belegt, dass in den letzten zehn Jahren in der Hotellerie ein regelrechtes «Downgrading» stattgefunden hat. Mangels Investitionen haben viele 3-Stern-Hotels ihre Klassifizierung verloren, was die Hoteliers nicht davon abhielt, ihr minderklassifiziertes Haus weiterzuführen. Das Ergebnis: Aktuell bieten 0-bis-2-Stern-Hotels knapp doppelt so viele Betten wie die gehobene Hotellerie (4-bis-5-Stern-Häuser). Im an die Schweiz grenzenden Tirol ist die gleiche Bewegung völlig gegenläufig gewesen. Dort ist die Zahl der Betten in 4- und 5-Stern-Hotels fast doppelt so hoch wie diejenige der 1- und 2-Stern-Hotels. Vor diesem Hintergrund scheint es plausibel, dass die Schweizer Touristen ihre Skiferien ins Tirol verlegen, wenn sie mit ihrem starken Schweizer Franken einen besseren Hotelkomfort zu vergleichbar niedrigeren Preisen erhalten. Hat nun das Zweitwohnungsgesetz der hiesigen Hotelbranche genügend Spielraum geboten, um sich in diesem wirtschaftlichen Umfeld zu behaupten?

Zweitwohnungsverkauf mit Auflagen

Auf den ersten Blick bietet das Zweitwohnungsgesetz Beherbergungsbetrieben weiterhin die Möglichkeit, Wohnungen auf den Markt zu bringen. Kurz gefasst darf ein Beherbergungsbetrieb sein Angebot mit «touristisch bewirtschafteten» Wohnungen (siehe «Begriffserklärung» am Ende des Beitrags) erweitern wobei für diese allerdings einige Nutzungsbeschränkungen gelten. Ferner dürfen Hotels 20 Prozent ihrer Hauptnutzflächen in Zweitwohnungen ohne Nutzungsbeschränkung umwandeln, sofern der Betrieb auf diese Querfinanzierung wirklich angewiesen ist. Zudem offeriert das Gesetz unrentablen Hotels die Option, 50 Prozent des Bestandes in Zweitwohnungen umzuwandeln.

Nach der Einschätzung von Claude Meier werden sich diese Möglichkeiten aber nur langsam umsetzen lassen, da sie noch mit vielen Rechtsunsicherheiten verbunden sind. Klar ist jedoch schon eins: Die Finanzierung eines Hotels bleibt weiterhin sehr anspruchsvoll. Laut eines Berichts des Tourismus Forum Schweiz 2015, einer vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) jährlich stattfindenden Fachtagung, liegen die Kosten für den Bau eines bezüglich Grösse und Ausbaustandards typischen Hotels im Schweizer Alpenraum deutlich über dem Ertragswert, der mit dem Hotel auch bei sehr gutem Management (Jahresauslastung von 60 %) erzielt werden kann. Dadurch entsteht erfahrungsgemäss eine Finanzierungslücke von rund 25 % der Investitionskosten, d.h. ein Viertel des Kapitals kann nicht rentabilisiert werden (siehe auch Grafik «Finanzierungslücke bei Hotelprojekten»).

Verzicht auf den eigenen Spa-Bereich

Ideal ist es in dieser Situation, wenn der Gastwirt sich den zusätzlichen Hut des Betriebswirtes oder Marketingexperten besorgt. In der Engadiner Gemeinde Scuol, dort wo diese Serie ihren Anfang nahm, ist der kürzlich zum Hotelier des Jahres 2016 nominierte Kurt Baumgartner vor 15 Jahren mit einem heruntergekommenen Betrieb gestartet und führt heute eine erfolgreiche, lokale Hotelgruppe mit Häusern im mittleren bis hochpreisigen Bereich. Baumgartner verdient dank überdurchschnittlicher Auslastung gutes Geld, dass er sofort wieder in seine Hotels investiert hat. Durch die Kooperation mit dem 1993 entstandenen Wellnessbad «Bogn Engiadina» realisierte er so genannte «Arealsynergien». Das heisst: Der Hotelier verzichtete auf Investitionen im eigenen Spa-Bereich und erhöht die Auslastung des Wellnessbetriebes mit eigenen Hotelgästen. Obwohl das Bad der breiten Öffentlichkeit offensteht, deuten die Frequenzen im Bad daraufhin, dass rund ein Drittel der Gäste des Bogn Engiadina aus den umliegenden Hotels kommt. Somit ist das Bad stärker frequentiert. Der Defizitbeitrag der Gemeinde konnte somit reduziert werden und die Hotels konnten die Attraktivität ihres Angebots ohne Investition in eine eigene Wellnessanlage massgeblich erhöhen.

Trägt nun das Zweitwohnungsgesetz zum nötigen Strukturwandel im Hotellerie-Tourismus bei oder wird es von der Branche als Hindernis auf diesem Weg empfunden? Philipp Pasche ist Direktor der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit SGH. An der von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete im letzten Jahr organisierten Tagung «Erste Erfahrung mit dem Zweitwohnungsgesetz» hat Pasche seinen Vortrag mit dieser Schlussfolgerung beendet:

«Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass sich das Zweitwohnungsgesetz nicht als Promotionsinstrument für die Hotellerie versteht. Obwohl das Gesetz den Bau von Wohnungen nicht einschränkt, ist es kein Treiber für den in der Branche stattfindenden Strukturwandel. Die traditionelle Hotellerie und die Zweitwohnungen werden als Konzept nicht völlig aussterben, doch wer im Bergtourismus bestehen will, muss auch die Fähigkeit mitbringen, sich der veränderten Nachfrage anzupassen. Das bedeutet, man muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich nachhaltige Geschäftsmodellen konkretisieren und entwickeln können.»

Begriffserklärung

Touristisch bewirtschaftete Wohnungen: Als touristisch bewirtschaftete Wohnungen im Sinne von Art. 7 ZWG gelten Wohnungen, wenn sie dauerhaft zur ausschliesslich kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu markt- und ortsüblichen Bedingungen angeboten werden. Unter diesen Begriff können zum einen Einliegerwohnungen fallen, also (voraussichtlich bis zu vier) Wohnungen, die im gleichen Haus liegen, in dem der Eigentümer seinen Erstwohnsitz hat. Zum anderen werden darunter Wohnungen verstanden, die nicht individuell ausgestaltet sind und die im Rahmen eines strukturierten Beherbergungsbetriebs («hotelähnlich», vgl. dazu Art. 4 ZWV) bewirtschaftet werden. Gemäss der Botschaft des Bundesrates soll bei solchen Wohnungen eine gewisse Eigenbelegung durch den Wohnungseigentümer (z.B. während drei Wochen pro Hauptsaison) zulässig sein. Viele Detailfragen im Zusammenhang mit touristisch bewirtschafteten Wohnungen werden jedoch noch durch die Gerichte abschliessend geklärt werden müssen.

Michel Benedetti
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